BEGEGNUNGSZENTRUM, BECKENRIED, 2016
Neubau Pfarreizentrum mit Wohnungen
Situation | Beckenried liegt am südlichen Ufer des Vierwaldstättersee, unterhalb der Klewenalp, inmitten der Zentralschweizer Voralpen. Der Gesamteindruck des langgezogenen Ortes definiert sich über kleinmassstäbliche Gebäude, welche sich, wie eine Perlenkette promenadenartig an das Seeufer angliedern.
Durchbrochen wird diese Silhouette von der 1790 erbauten Pfarrkirche St. Heinrich als herausragendem, Blickfang und Identitätsträger. Ihre Bedeutung wird durch die überhöhte Positionierung auf einem Plateau deutlich betont. Auch die Verkehrsführung macht auf den belebten Dorfraum aufmerksam, eine 30er Zone entschleunigt die Bewegung durch den Ort und markiert das Herz Beckenrieds zwischen dem Restaurant Rössli, der Schiffsanlagestelle und der Pfarrkirche. Die Seefassaden richten sich nach Norden, also zur eigentlichen Schattenseite mit Seesicht aus. Auch die Firstausrichtung und Dachform nimmt Bezug zum Uferverlauf, so dass sich eine wechselhafte Dorfkulisse bildet, die in der historischen Kirche ihren Höhepunkt findet. In zweiter Reihe zeigt sich die Bebauungsstruktur weniger linear, folgt der Topografie und ist geprägt vom Wechselspiel aus engen Gassen und weiten Plätzen. Unterschiedliche Bebauungsdichten ergeben immer wieder neue, spannende Weg– und Blickbezüge vom Fusse des Berges zum Ufer hin. Der zum Hang orientierte Rückraum der Seestrasse ist belebt durch diese mäandrierenden Freiräume und komplettiert das Erscheinungsbild des Ortes.
Der Wunsch nach einer harmonischen Weiterführung der vorgefundenen Strukturen, bezüglich Volumetrie und Ausrichtung entlang der Seestrasse, bedingt die Aufteilung der Baumasse in drei Volumen. Die Kleinkörnigkeit der Umgebungsbauten sowie bestehende Volumetrie und Massstäblichkeit finden so eine ausgewogene Fortsetzung und bestärken die Pfarrkirche als Landmark bzw. als Gesicht des Ortes.
Die differenzierte Setzung und Ausrichtung der drei Baukörper bestehend aus Verwaltung, Wohnhaus und Saalgebäude, nimmt Bezug auf Vorgefundenes. Das Saalgebäude ist als erstes Volumen im Anschluss an den Rückraum der Kirche platziert und somit direkt mit dieser verortet. Der längliche, zweigeschossige Baukörper ist orthogonal zur Kirche ausgerichtet und zurückversetzt zur Seestrasse positioniert, um einen, dem Verkehr abgewandten, Ankunfts– und Verteilraum zu schaffen. Das zweite anschliessende Bauvolumen, das Verwaltungsgebäude, welches sowohl Büroräume, Gewerbebereiche und Wohnungen beherbergt, ist leicht abgedreht zum Saalbau platziert. Durch die direkte Setzung an die Hauptverkehrsstrasse und der Ausrichtung am Strassenverlauf, sowie der Nachbarbebauung, schliesst der schlanke Baukörper das Erscheinungsbild der aufgereihten Perlenkette der Uferstrasse.
Das dritte Gebäude, ein reines Wohnhaus mit Kleingewerbe im Erdgeschoss, befindet sich in der zweiten Bebauungsreihe. Abgewandt der Verkehrsachse, schliesst es die Bebauung zu einem Dreigespann und komplettiert das vorherrschende Bild der Dorfstruktur mit wechselnden öffentlichen und halböffentlichen Freiräumen. Seine Setzung orientiert sich an der bestehenden Häusergruppe entlang des Bachs. Zwischen den Baukörpern bildet sich das bestehende Gassen– und Platzthema Beckenrieds mit differenzierten Durchsichten und Zwischenräumen zur Kirche und zum See ab. Die Präsenz der Kirche ist dabei immer vordergründig, ihrem Erscheinungsbild wird durch die ausgewogene Setzung und Dimensionierung des neuen Ensembles nichts an ihrer Bedeutsamkeit genommen. Der sich zwischen den drei Gebäuden aufspannende, gemeinsame Aussenraum verschmilzt mit dem rückwärtigen Kirchenplateau und bildet einen wertvollen, geschützten und ruhigen Versammlungs– und Verweilraum. Betont wird der Platz durch einen zentralen Brunnen. Er verleiht dem “Chappelplätzli” ein Gesicht und eine charakteristische Geräuschkulisse mit Wiedererkennungswert. Der neue Sockel fungiert als Einfassung der öffentlichen und mit Gewerbe besetzten Geschosse sowie der unterirdischen Einstellhalle. Alle öffentlichen Funktionen sind über diesen sich deutlich abzeichnenden Sockel auf verschiedenen Ebenen erschlossen. Über die, der Seestrasse angeschlossenen Ebene erfolgen die Zufahrt zur neuen Einstellhalle, sowie die Erschliessung der Gewerbe– und Geschäftsräume. Eine Ebene darüber sind der Eingang zum Saalgebäude, der Zugang zur Verwaltung, sowie zu weiteren Gewerbenutzungen angeordnet. Die Zugänge sind über einen gemeinsamen gedeckten Vorbereich, dem zentralen Platz miteinander verbunden.
Gebaute Struktur | Das Saalgebäude erreicht man strassenseitig über eine trichterförmige Treppe und den verbindenden gedeckten Vorplatz. Hier wird man empfangen, kommt an und trifft sich für gemeinsame Abende innerhalb des Dorflebens. Eine über Eck verlaufende Glasfront gibt den Blick ins Innere des Gebäudes frei und ermöglicht eine fast vollständige Öffnung des Foyers zum Vorplatz hin. Innen und Aussen verschmelzen miteinander und lassen eine grösstmögliche Aneignung des Platzes zu. Über das direkt angrenzende, grosszügige Foyer gelangt der Besucher um den zentralen Kern herum auf zwei Wegen in das Herz des Baus, den Saal. Blickfang ist das geschossübergreifende Bindeglied in Form einer gewendelten Treppenskulptur. Ein Oberlicht gibt den Blick auf den Kirchturm frei und offeriert dem Besucher eine verortenden Bezug zur näheren Umgebung. Der grosse überhöhte Saalraum ist für unterschiedlichste Nutzungen ausgelegt und kann durch die bauliche Loslösung von Verwaltung und Gewerbe autonom genutzt werden. Mobile Bühnenelemente erlauben eine hohe Flexibilität der Nutzflächen und Raumaufteilung. Die Ausdehnung des Saals bis unter das Dach des Gebäudes betont seine Bedeutung. Zwei Lichtlaternen in Form von Ausfachungen der Dachhaut generieren spannende Belichtungsszenerien und geben den Blick in den Himmel und die angrenzende Voralpenlandschaft frei. Ergänzt wird diese Öffnung des Dachs durch ein grosses Fenster, einer gerahmten Öffnung der Fassade, welche als Sitzfenster fungiert. Der Besucher wird über diesen Sichtbezug zur Umgebung mit dem Ort, der Seekulisse und somit seiner Heimat Beckenried verortet. Im Kern des Saalgeschosses befinden sich eine Liftanlage, sowie eine integrierte Küche. Die ganze Zugangsebene ist stufenlos. Die Liftanlage ermöglicht ein komplett hindernisfreies Bewegen von der untersten Ebene, der Einstellhalle, bis unters Dach. Kurze Wege, schnelle Verbindungen zu Lager und Bühne, sowie einfache Transportmöglichkeiten stehen für eine optimierte Funktionalität.
Das zweite Volumen des Dreigespanns ist der Verwaltungsbau. Seine Besucher erreichen ihn ebenfalls über den gedeckten Aussenraum. Zusätzlich gelangt man über ein Treppenhaus aus der Einstellhalle und einen separaten rückwärtigen Zugang ins Innere des Gebäudes. Alle Verwaltungs– und Büroräume befinden sich auf Platzniveau, so dass auch diese barrierefrei und unabhängig von allen anderen Funktionen nutzbar sind. Den Auftakt vom Platz aus bildet der Empfang, von welchem auch unabhängige Veranstaltungen im angrenzenden Sitzungszimmer eröffnet werden können. Grosszügige, unterteilbare Büroflächen mit Anschluss an die Seefassade schaffen aussichtsreiche und einladende Arbeitsräume. Archiv und Lagerflächen rücken vom Besucherbereich ab und sind ein Geschoss darunter angeordnet. So können die Lagerflächen über die Einstellhalle bedient werden. Über der Büroebene befinden sich drei Wohngeschosse mit je zwei Wohnungen.
Weitere Wohnungen befinden sich im in die zweite Reihe abgerückten Wohnhaus. Den Bezug zum See und zur Kirche, sowie eine optimale natürliche Belichtung und Besonnung durch eine Ost-/Westausrichtung haben alle Wohnungen gemein. 2.5, 3.5 und 4.5-Zimmerwohnungen verbinden sich zu einem vielseitigen und ausgeglichenem Wohnungsmix für Singles, Paare und Familien. Die Grundrissstruktur der Wohnungen, sowohl im Verwaltungsbau als auch im reinen Wohnhaus, präsentiert sich als besonders vielfältig und ist geprägt vom massiven Betonkern. Alle haustechnischen Leitungen, Sanitärbereiche, sowie die vertikale Erschliessung sind hier untergebracht. Um den Kern herum sind die Wohnräume angeordnet und rücken somit alle an die Aussenfassade. Ergebnis sind eine optimale Belichtung und differenzierte Blickbeziehungen zum Dorf, sowie auf den Vierwaldstättersee.
Die Erschliessung erfolgt zentral über den Kern, sowohl vom Platz als auch über die gemeinsam genutzte Einstellhalle. An die Zugänge der Wohnungen sind Loggien angeordnet, welche natürliches Licht bis in den Treppenkern des Baukörpers führen und bereits beim Eintreten in die Wohnung Sichtbeziehungen zur Umgebung herstellen. Für genügend Privatsphäre sorgen hier transluzente Materialien im Übergang zum Treppenhaus. Jede Wohnung verfügt über einen natürlich belichteten Vorbereich mit Garderobe und direkten Zugang zu den Wohnräumen. Das Grundrisskonzept ermöglicht ein individuelles Aneignen der Wohnungen durch seine Bewohner, von einer den Kern umschliessenden offenen Zirkulation bis hin zu geschlossenen Raumsequenzen. Gleichzeitig wird die Verkehrsfläche in die Nutz– und Wohnfläche integriert und so auf ein Minimum reduziert.
Gestaltung | Das Saalgebäude ist ein Massivbau aus Beton. Es entwickelt sich als massiver Baukörper aus dem übergreifenden Sockel und ist durch eine aufgesetzt erscheinende Dachhaut aus Metall nach oben abgeschlossen. Die Dachform ergibt sich aus der vorausgegangenen Analyse und ist dem bestehenden Dorfbild entliehen. Der besondere Charakter wird über das Auffächern des Daches im Firstbereich in Form von Lichtlaternen erzielt. Das Verwaltungsgebäude und das neue Wohnhaus bilden sich als Holzbau ab. Der massive Ausdruck des gemeinsamen Sockels sowie des Saalbaus wandert von Aussen ins Innere der Gebäude und definiert den statischen Kern beider Baukörper. Die hölzerne Fassadenhaut ist je Baukörper individuell ausgebildet. Der, der Strasse zugewandte, Verwaltungsbau erhält eine ortstypische Schindelfassade mit einem hohen repräsentativen Ausdruck. Die Fassadenhaut des Wohnbaus in der zweiten Bebauungsreihe erscheint mittels einer einfachen Bretterschalung schlichter. Sie vermittelt ein privateres, weniger in die Öffentlichkeit gerücktes Erscheinungsbild.
Beiden Gebäuden ist eine besondere Fassadengliederung verliehen. Durch eine geschossübergreifende Aufschachtelung der Fassadenhaut wächst das Volumen mit seiner Höhe. Die leicht nach aussen springende Fassadenkante und die geschossweise, differenziert ausgebildeten Öffnungen lassen auf die unterschiedlichen Nutzungen schliessen und verbinden sich zu einem spannungsvollen Fassadenbild. Die Hierarchisierung der Nutzung erfolgt nicht nur durch die städtebauliche Setzung, sondern auch über die Anordnung der Funktionen auf den Geschossebenen. Die Sichtbarmachung des nach oben abnehmenden öffentlichen Charakters erfolgt auch über die Staffelung der strassenseitigen Fassade.
Das Dreigespann ist differenziert ausgestaltet, verbunden wird es durch den gemeinsam genutzten Sockel– und Vorplatzbereich. Jedes Volumen erhält seine eigene Identität, seinen eigenen Ausdruck und verbindet sich doch zu einem der Dorfstruktur entsprechenden Ensemble. Die ortstypischen horizontal erscheinenden Fensterzonen aus Öffnung und Klappladen werden so neu interpretiert und erhalten einen zeitgemässen Ausdruck. Das Thema der Bossen an den Fassadenecken einiger Bauten findet ihre Entsprechung in der neuen Fassadengestaltung. Die nach oben wachsenden Fassadensprünge erscheinen als transformierte Ecklisenen und sind der ortstypischen Bauweise entliehen. Nicht nur die Fassade greift hier ineinander, auch das Nebeneinander von Alt und Neu, das Verbinden von traditionellen Gestaltungselementen und einer zeitgemässen Architektursprache sind Vertreter eines vielschichtigen Erscheinungsbilds der Beckenrieder Ufersilhouette.
Die neue Bebauung „Am Chappelplätzli“ schliesst die entstandene Baulücke und gliedert sich als selbstverständlicher Dorfbestandteil in die bestehende Uferpassage ein. Die Kirche bleibt zentrales Element der Dorfstruktur, wobei sich die neu angliedernden Bauten des Chappelplätzli’s als rücksichtsvolle Ergänzung des bestehenden Erscheinungsbildes präsentieren.
Zusammenarbeit mit A6 architekten, Buttisholz